Berlin. Berlin. Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg – landauf, landab erreicht die Zahl der offenen Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften neue Rekorde. Die personellen Engpässe in der Justiz spitzen sich zu.
So schieben die Ermittlungsbehörden bundesweit fast eine Million offene Fälle vor sich her, wie eine neue Umfrage der Deutschen Richterzeitung in den Ländern ergeben hat (Js-Verfahren, Stand 30.06.2025). Das sind fast 250.000 unerledigte Akten mehr als noch Ende 2021. Nie war der Stau offener Fälle länger als heute. Entspannung ist nicht in Sicht, denn auch die Neueingänge bei den Strafverfolgern bleiben auf Rekordniveau. Sie haben 2024 abermals die Marke von 5,5 Millionen erreicht. Für die ersten sechs Monate dieses Jahres geben die Strafverfolgungsbehörden bereits mehr als 2,7 Millionen neue Verfahren an.
Besonders dramatisch ist die Entwicklung in Hamburg, wo sich die Zahl der offenen Verfahren seit 2021 fast verdreifacht hat. Die dortigen Ermittler müssen einen Anstieg um 181 Prozent von 22.900 Fällen zum Jahresende 2021 auf 64.404 zur Jahresmitte 2025 bewältigen. „Die Kolleginnen und Kollegen bei der Staatsanwaltschaft Hamburg arbeiten am Rande der Belastungsgrenze und oft genug auch darüber hinaus, weil es nicht genug qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für alle offenen Stellen gibt und immer wieder Kolleginnen und Kollegen wegen der Arbeitsbedingungen vorzeitig die Staatsanwaltschaft verlassen“, so der Hamburgische Richterverein. An der Grenze des Leistbaren arbeiten auch die Staatsanwälte in Schleswig-Holstein. Verzeichneten die Ermittler dort zum Jahresende 2021 noch 28.089 unerledigte Fälle, melden sie zum Halbjahr 2025 33.307.
Die bundesweit höchste Zahl offener Verfahren zum Stichtag 30. Juni 2025 gibt Nordrhein-Westfalen mit knapp 267.000 Fällen an, ein Zuwachs von rund 40 Prozent im Vergleich zum Jahresende 2021. Der DRB-Landesverband spricht von 460 fehlenden Staatsanwälten. Diese Lücke würde sich massiv auswirken, sagte der Landesvorsitzende Gerd Hamme in den Medien und bezifferte die Überlastungsquote der Staatsanwälte in seinem Bundesland auf 141 Prozent.
Einige Bundesländer haben ihre Anforderungen für Bewerbungen weiter herabgesetzt, um mehr Bewerberinnen und Bewerber insbesondere für den staatsanwaltschaftlichen Dienst zu gewinnen. So hat Baden-Württemberg begonnen, einen Teil der Neustellen bei den Staatsanwaltschaften im Land mit Juristinnen und Juristen zu besetzen, die die Regeleinstellungsvoraussetzungen nicht erreicht haben. Etwa 20 Personen pro Jahr sollen als Amtsanwältin oder Amtsanwalt eingestellt werden, wenn sie in beiden Examina in der Regel 7 Punkte erreicht haben. Bei guten Leistungen sollen sie nach drei Jahren in den höheren Justizdienst wechseln können. Der DRB BW fordert hingegen, die Attraktivität des höheren Justizdienstes endlich durch eine spürbare Besoldungsanhebung zu stärken, die einem europäischen Vergleich standhält.
Die Richterzeitung hat in der Juliausgabe 2025 ausführlich über die Entwicklung der Bewerberlage und der Einstellungsvoraussetzungen in der Justiz berichtet. Sie hat dafür in allen 16 Ländern nachgefragt, wie sich die Nachwuchsgewinnung in den vergangenen 5 Jahren gestaltet hat. Eine den Auskünften zufolge auskömmliche Bewerberlage darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehrere Länder ihre Anforderungen zuletzt doch deutlich herabgesetzt haben, um den Kreis der Bewerberinnen und Bewerber insbesondere für den staatsanwaltschaftlichen Dienst zu erweitern.
